G. E. Lessing und M. Mendelssohn sind die Varka¨mpfer der Emanzipation der Juden in Deutschland. Sie waren sich daru¨ber im klaren, dass weder die Glaubensvereinigung noch die bu¨rgerliche Verfassung allein die ersehnte Gleichberechtiguna der Juden garantieren wu¨rden. In seinen fru¨hen Lebensjahren befasste sich Lessing intensiv mit spezifisch ju¨dischen Problemen. Ein Dokument fu¨r seinen Einsatz fu¨r die Juden ist Die Juden. Hier geht es Lessing darum, das christliche Publikum zum Umdenken zu bewegen, dessen Verhalten gegenu¨ber den Juden von einem Vorurteil bestimmt ist. Nicht die Glaubenszugeho¨rigkeit ist von entscheidender Bedeutung fu¨r den Wert eines Menschen, sondern seine Menschlichkeit. Lessings Idealbild entspricht Mendelssohns Denkmodell zur Verso¨hnung zwischen Juden und Christen. In Jerusalem, order u¨ber die religio¨se Macht und Judenthum erkla¨rte Mendelssohn, dass durch die Menschlichkeit, die Juden und Christen als ihre Grundlage des Denkens und Handelns gemeinsam haben, eine neue Beziehung zwischen Judentum und Christentum hergestellt werden kann. Trotz dieser Na¨he bleibt festzuhalten, dass Lessing der ju¨dischen Religion kaum wohlgesonnen war. Fu¨r ihn gilt die menschliche Vernunft so ausschliesslich, mit deren Hilfe alle Vorurteile wieder in Frage gestellt werden ko¨nnen, dass jeglicher Bezug auf die Begriffe Glauben und religio¨se Identita¨t undenkbar wird. Demnach ist der Reisende in Den Juden (wie Nathan in Nathan der Weise) kein Prototyp des modernen Judentums, sondern das Vorbild der Menschlichkeit, und zwar in ju¨dischem Gewande. Im Gegensatz zu Lessing ging Mendelssohns Konzept von Emanzipation bzw. Reform des Judentums im Grunde von dem fesselten Glauben an Gott aus, obwohl seine Suche nach Lo¨sung der Judenfrage eine Verbindung von Judentum und Umwelt beinhaltete. Der Mensch kann sich seiner eigenen religio¨sen und kulturellen Herkunft nicht entziehen. Die Juden und die Nichtjuden ko¨nnen miteinander friedlich zusammenleben, vorausgesetzt, dass man die religio¨se und kulturelle Besonderheit der anderen Vo¨lker als selbstversta¨ndlich annimmt.