Die vorliegende Untersuchung zielt darauf ab, einen Vergleich zwischen der volkstumlichen Auffuhrungskunst Pansori in Korea und dem Bankelsang als eine Urform des erzahlenden Liedes in Deutschland formal und kulturphanomenal anzustellen. Der Bankelsang, der seit dem 17. Jahrhundert von umherziehenden Schaustellern und Jahrmarktsangern auf einer Bank stehend vorgetragen wurde, war eine lebendige, darstellende Volkspoesie in Deutschland. Er wurde ublicherweise von einer Dreleier und einer das Geschehen illustrierenden Bildtafel begleitet. Mit einer bekannten volkstumlichen Melodie singt der Vortragende seine Lieder, die meistens den Zuhorern sensationelle Vorfalle, Naturkatastrophen, Unglucke und Verbrechen, seltener politisch-historische Ereignisse berichten. Der Bankelsang wie auch die Moritat ist jedoch heute weitergehend in Vergessenheit geraten und seit den fruhen dreiβiger Jahren des letzten Jahrhunderts verschwunden. Pansori gehort auch zur koreanischen volkstumlichen Auffuhungskunst. Spatestens im 17. Jahrhundert tritt Pansori das Erb des uberlieferten darstellenden Epos an. Der Pansorisanger tragt seine lange erzahlende Lieder dem Publikum (Zuhorer bzw. Zuschauer) vor. An der Auffuhrung nimmt auch ein Trommler mit einer traditionellen Trommel teil, wobei der Sanger die Zuge einer theateralischen Darstellung tragt. Manchmal verstarkt der Trommler schreiend durch Empfindungsworte wie O!, Ach!, Ja! Das Vortragene. Das Publikum wird durch gleiche Zwischenruf ebenfalls zu einem Teil der Auffuhrung. In diesen beiden volkstumlichen Auffuhrungen finden sich die unterschiedlichen kulturellen Merkmale: Pansori halt Stimme und Ton des Sangers fur wichtig, der Bankelsang Wort und Inhalt. Man konnte daraus schlieβen, dass die koreanische Kultur gefuhlsbetont und empfindsam und die deutsche Kultur vernunftig und denkerisch. Der kuturelle Unterschied zwischen beiden Inszenierungsformen liegt auch in Beteiligung und Reaktion des Publikums. Das Publikum nimmt beim Pansori meistens direkt an der Auffurung teil. Dagegen fuhrt der Sanger die Vorfuhrung beim Bankelsang, wobei das Publikum nur als Zuschauer oder Zuhorer agiert. Pansori ist also eine Kunstform, in der die gemeinsame, gefuhlmaβige, spielerische, naturorientierte, mundliche, traditionale und gegenseitig abhangige Kultur gut wiedergegeben wird. Der deutsche Bankelsang hat auch seine eigenen kulturellen Mermale: vernuftig, menschenorientiert, individuell, schriftlich bzw. bildlich und reformativ.