Die vorliegende Arbeit untersucht die Wechselbeziehung von Text und Bild, d.h. Schriftbilder und Bilderschriften in der Literatur und Malerei. Unsere Wahrnehmung ist von Wort-Bild-Verhaltnissen durch eine jahrhundertelange Unterordnung des Bildes unter den Text nachhaltig gepragt worden. Aber nach den kunstlerischen Avantgarden zu Beginn des Jahrhunderts wird die Instanz des Autors radikal in Frage gestellt, der Sprache ein Eigenleben verleihen. An die Stelle des Konvergenzstrebens im Mit- und Gegeneinander von Bild und Text tritt nun ein neues Verhaltnis, in dem beide als gleichberechtigte Partner begriffen werden. Divergenz wird nicht mehr als Ausdruck von Rivalitat begriffen, die letztlich einzuschmelzen ist, sondern als Vielfalt der Moglichkeiten, die sich gegenseitig dynamisieren. Einige Autoren wollen durch den experimentellen Umgang mit Text und Bild zeigen, wie die ambivalente Spannung zwischen den zwei Medien neue Bedeutungen stiftet, wie die Vermischung der Formen von Textualtat und Visualitat unerwartete Bilder schafft und immer neue Subjekte und Subjektivitaten stiftet. Ihre Arbeiten verweigern strukturell eine identifikatorische traditionelle Leseart. Das Subjekt, die Sprache, der Sinn-alles wird hinterfragt, auseinandermontiert und wieder zusammengebaut. Der Sinn entsteht aus dem vorhandenen (Buchstaben-)Material, ist nicht festgelegt. Die Unmoglichkeit, eine klare Grenze innerhalb des Textes oder der Zeichnung, zwischen Sprache und Bild, zwischen Sinn und Symbol zu ziehen, irritiert herkommliche Seh- und Lesearten. Text und Bild entwickeln eine eigene Welt, treten in immer wieder neue Beziehungen zueinander. Sie transformieren, verschieben oder erganzen sich.