Bei dem vorliegenden Aufsatz handelt es sich um den Versuch, im Spatwerk Heinrich Heines neue literarische Figuren auszumachen und diese in ihrer Bedeutung zu klaren. Das Jahr 1848 ist fur Heine ein wichtiger Wendepunkt: auf Grund seiner Krankheit ist er korperlich verfallen und wegen des Fehlschlags der 48er-Revolution weltanschaulich enttauscht. Im Zuge seines korperlichen Verfalls und angesichts der Fehlentwicklung der Geschichte hat er literarische Figuren wie Lazarus, Hiob und Schlemihl fur sich neu entdeckt. Diese Figuren tragen gemeinsame oder erweiterte Bedeutungen wie Wandern, Krankheit, Ausgrenzung, Einsamkeit, Heimatlosigkeit, Orientierungslosigkeit, Pechvogel, Leiden der Unschuldigen, große Dichter, Sterben vor der Geliebten. An vielen Stellen in seinem Spatwerk hat Heine auf das Judentum Bezug genommen. Das ist aber nicht im Sinne einer Konversion zur judischen Religion zu verstehen. Er hat im Alten Testament vielmehr literarische Figuren gefunden. Und er hat diese auf eigene Weise dichterisch verarbeitet, um ihnen neue, erweiterte Bedeutungen zu geben. Durch die Figuren Lazarus`, Hiobs und Schlemihls hat Heine die judische Geschichte in seinen dichterischen Raum eingefuhrt. Damit wollte er seine eigene Situation mit dem Schicksal der großen Dichter, der damaligen Zeitgeschichte und der judischen Geschichte in Ubereinstimmung bringen, um sich einen neuen dichterischen Spielraum zu verschaffen.