In seinem Theaterstuck Schlußchor beschaftigt sich Botho Strauß mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung Deutschlands. Einerseits kritisiert er die wirtschaftliche und politische Lage der DDR, andererseits antipiziert er die katastrophale Entwicklung des wiedervereinigten Deutschlands und zerstort damit eine Illusion des deutschen Volkes. Mit der gesellschaftskritischen Schilderung der Wiedervereinigung scheint er sich in die Gruppe von Autoren wie Gunter Grass und Martin Walser einzureihen. Jedoch unterscheidet sich Strauß von ihnen dadurch, dass er der deutschen Einheit nicht nur eine politische und historische Bedeutung beimisst, sondern ihr auch eine mythische Dimension zuschreibt. Denn nach seiner Ansicht ist die deutsche Einheit ein emergentes Ereignis, das absolut unerwartet stattfindet und auf den gottlichen Finger dahinter weist. Wenn man vor dem Hintergrund dieses mythischen Kontextes das Stuck noch einmal liest, stellt sich heraus, dass die mythische Welt hinter der Kritik der Neuzeit und dem Diskurs uber die deutsche Einheit im Verborgenen liegt. Diese mythische Welt offenbart sich vor allem im Zusammenhang mit dem Motiv der griechischen Gottin Diana. Wer ihre Nacktheit nach dem Bad `im` Versehen sieht, kann aus der alltaglichen Wahrnehmungswelt heraustreten und einen Zugang zur mythischen Welt gewinnen. Das heißt, dass man den mythischen Augenblick erleben kann, wenn man sich der zweckorientierten und intentionalen Handlung und der Signifikanten-Welt entzieht. In der vorliegenden Arbeit habe ich versucht, das Verhaltnis von alltaglicher Welt und mythischer Welt anhand von drei Motiven, namlich der Kleider, des Bades und der Nacktheit zu erhellen und die Struktur des mythischen Chaosmos im Werk zu verdeutlichen.