Die vorliegende Arbeit untersucht Herders Literaturauffassung, die vor allem in seinem Volksliederprojekt breit angelegt ist. Herder war schon seit seinen Studienjahren mit der Sammelarbeit und der Bearbeitung der Volkslieder in der Welt beschaftigt. In dieser Untersuchung kommen Insgesamt 3 Volksliedersammlungen Herders in Betracht: 「Alte Volkslieder」 (1773/74), 「Volkslieder」(1778/79), 「eine palingenisierte Sammlung solcher Gesange, vermehrt, nach Landern, Zeiten, Sprachen, Nationen geordnet und aus ihnen erklart, als eine lebendige Stimme der Volker, ja der Menschheit selbst」 (1804). In jeder Sammlung liegt jeweils ein bestimmter Volksbegriff zugrunde. Aus der Vielfalt Herders Volksbegriffs und der Inhaltstruktur kann man schließen, dass es ihm nicht nur um die Konstruktion der Identitat einer Nationalliteratur, sondern auch um die Humanitat geht. Kennzeichnend fur Herders Volksliedersammlung ist die Synthese vom nationalliterarischen Interesse einer Nation und einem anthropologischen Trieb der Menschheit zur Kultur und Literatur. Die Kontroverse von der Nationalitat und Humanitat, die oft als Deutungsrahmen fur Herder-Forschung dient, scheint schließlich fragwurdig zu sein, weil sich die Nationalliteratur gerade als Voraussetzung und Bedingung fur eine Weltliteratur bei Herder wie bei Goethe darstellt.