J. W. v. Goethe und F. Schiller wollten die Entfremdung des Menschen in der Moderne durch eine sozialpolitisch wirkende Kraft der schonen Kunst uberwinden, die im Stande sein sollte, die Einzelnen wieder im Ganzen der Gesellschaft harmonisch aufzulosen. In der Praktizierung des aufklarerisch und klassisch gesinnten Kunstkonzeptes gingen sie jedoch auseinander; Denn Goethe ging von einem subjektiven Naturgefuhl aus, Schiller dagegen von einem objektiven Weltverstandnis. Fur Goethes Naturgefuhl gab es keine nicht zu uberbruckenden klaffenden Risse zwischen Natur und Kunst, Subjektivitat und Wirklichkeit, Leben und Tod etc. So konnten sich in seiner dichterischen Phantasie alle Dinge der Welt bruderlich miteinander vereinigen. In der ellegischen Lyrik selige Sehnsucht beispielsweise werden das lyrische Ich, die Gegenstande und der Leser idyllisch harmonisch zur Einheit gebracht. Aus geschichtsphilosophischer Sicht Schillers dagegen war seine moderne Zeit dem subjektiven Idealen Goethes nicht entsprechend. So konnte bei ihm die Realitat in ihren sozialen Misstanden nur elegisch im Entwicklungsprozess hin zum Idealen dargestellt werden. In der Tragodie Maria Stuart beispielsweise scheitert der Versuch der Konigin, sich vom Gefangnis zu befreien, und somit auch Schottland und England idealistisch zu versohnen. Nach Schillers Glauben liegt jedoch gerade in der rezeptionsasthetischen Dimension derartig traurigen Schiksals eine Moglichkeit, die klassische Idee zu realisieren, weil das asthetische Miterleben des Publikums, vermoge des Mitleids und der Reflexion, ein Freiheitsdenken fordert, auf dem ein dynamischer Staat aufgebaut werden konnte. Zusmmenfassend lasst sich anhand der zwei gegensatzlichen kunstlerischen Verfahren Goethes und Schillers sagen, dass das eine durch die Darstellung einer idealen Welt identifikatorisch ein utopisch zu erreichendes Ziel der Aufklarung im Voraus erleben lasst, wahrend das andere durch die objektive Darstellung der sozialen Misstande de-identifikatorisch ein subjektivisch eingebildeltes Weltverstandnis kritisch auf die Realitat hin relativierend zum Idealen hin erweitert.