Die vorliegende Studie zielt darauf, aus der Perspektive der Poetologie des Wissens die verborgene Funktion der Literatur in der Entstehung der Psychoanalyse zu beleuchten und Freuds ambivalentes Verhaltnis zur Literatur kritisch zu betrachten. Freud als Psychopathologe und Neurophysiologe begrundet bei der Aufzeichnung der Krankengeschichten seiner Hysterie-Patientinnen einen neuen, fremden Diskurs, der sich von den bis dahin gangigen naturwissenschaftlichen stark unterscheidet. In diesem neuen Diskurs wird die Therapie zur Deutungsarbeit der hinter den Symptomen verborgenen Bedeutungen sowie zur narrativen Rekonstruktion der Lebensgeschichte der Kranken. Daraus folgt, dass Freuds neue ,Wissenschaft`, die Psychoanalyse, eher der Geisteswissenschaft zuzurechnen ist. Als Kind des Empirismus und der Naturwissenschaft des 19. Jhrts zeigt Freud aber sein Unbehagen an der Literarizitat seines Diskurses. Einerseits dient die Literatur als autoritarer Bezugspunkt des menschlichen Seelenlebens als Beweismittel der wissenschaftlichen Richtigkeit der Psychoanalyse, andererseits wird ihr die Fahigkeit, Wissen zu generieren, abgesprochen. Befangen durch einen naturwissenschaftlich orientierten Wissenschaftlichkeitsbegriff versucht Freud vergebens, die Deutungsarbeit mit naturwissenschaftlicher Objektivitat auszustatten.