Johann Wolfgang Goethe zahlt zu den ersten Autoren, die mit dem Terzine-Reim das literarische Monument in der deutschen Literaturgeschichte errichteten. Die Terzine, mit der Dante erstmals in der Weltliteratur den gesamten Teil seines magnum opus Divina Commedia konstruierte, verwendet Goethe in seiner ganzen literarischen Tatigkeit nur zweimal: in der Dichtung Die Reliquien Schillers und im Monolog des zweiten Teils von Faust. In beiden Texten spielt die Terzine eine zentrale Rolle; Goethe versucht, diese Reimform, die sich durch eine immer wieder fortschreitende Tendenz auszeichnet, und den stofflichen Inhalt miteinander in Einklang zu bringen und damit eine Einheit von Inhalt und Form zu erzielen. In jener Dichtung findet der Ubergang vom Tod zur Offenbarung, den das dichterische Ich sich mit Blick auf den Schadel Schillers anschaut, seine Entsprechung in der Selbstentfaltung des Reims. Bemerkenswert ist vor allem im Faust-Monolog, dass hier die Terzine sowohl fortschreitend als auch ruckschreitend und begrenzend funktioniert, was auch der dargestellten Szene und der innerlichen Stimmung Fausts entspricht. Diese dialektische Bewegung auf formaler Ebene des Mediums, hier also der Texte, anschaulich zu machen und damit die traditionelle Aufgabe der Literatur und Kunst, die Einheit von Form und Inhalt zustande zu bringen, ist als Goethes großer Beitrag anzusehen, den er in der deutschen Literaturgeschichte in bezeichnender Art und Weise leistet.