Werther, die Titelfigur aus Johann Wolfgang von Goethes `Die Leiden des jungen Werthers`, wurde aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und bewertet. Viele versuchten, den Liebesleidenden positiv zu verstehen bzw. sein Handeln in sozialkritischen oder asthetischen Dimension zu rechtfertigen. Diese Arbeit vertritt demgegenuber eine kritische Sichtweise, und zwar vor dem Hintergrund der humanistischen Bildung und Personenerziehung, die heutzutage an koreanischen Universitaten von hoher Bedeutung sind.
Das Kernproblem des jungen Werther liegt in seiner unsicheren Ich-Identitat, die schließlich fur den tragischen Selbstmord verantwortlich ist. Seine Leiden sind genau genommen nichts anderes als Identitatsleiden. Werthers Identitatsproblem zeigt sich auf verschiedenen Ebenen. Erstens zeichnet ihn eine negative, pessimistische Lebensanschauung aus. Fur Werther ist das Leben von Anfang an `nur ein Traum` und die Weltein `Kerker`. Außerdem beruft er sich stets auf das Schicksal, um seine Fehler zu rechtfertigen oder vor seinen Pflichten zu fliehen. Ein Pessimist bzw. Fatalist lebt schwer als `Akteur seines Lebens`.
Zweitens verhalt sich Werther nach den Maßstaben eines Intellektuellen unvernunftig. Er bewaltigt zwar ein hohes Lesepensum, seine Art zu lesen ist aber derart einfuhlsam und schwarmerisch, dass er Fiktion und Realitat weder voneinander trennen kann noch will. Schließlich nimmt er Ossians tragische Ode zum Lehrbuch fur seinen Selbstmord.
Drittens ist Werthers Verhaltnis zur Natur willkurlich und destruktiv. Bald gewinnt er beim Anblick von idyllischen Landschaften inneren Frieden und Genesung; bald empfindet er die Natur als `Peiniger` und `qualenden Geist`. So nimmt seine unsichere Identitat selbst die objektive Natur zwiespaltig wahr.
Viertens ist Werther derart empathisch, dass er sich mit den anderen Liebesleidenden des Romans wie dem Bauernburschen oder Heinrich identifiziert. Leiden und Ungluck erscheinen ihm somit als universell und naturgegeben, was wiederum den Pessimismus und letztlich den Selbstmord rechtfertigt. Kurzum, die Leiden und die Tragik des jungen Werther sind darauf zuruckzufuhren, dass er nicht rechtzeitig eine gesunde Ich-Identitat bilden konnte. Darauf soll die Personenerziehung sowie die humanistische Bildung aufmerksam machen.