Conrad Ferdinand Meyer gilt als einer der bedeutendsten Autoren des literarischen Realismus. Diese Arbeit versucht anhand der Analyse der Bildbeschreibungen in Versuchung des Pescara, eine der Renaissance-Novellen Meyers, seinen besonderen Ort im Realismus zu bestimmen. In Meyers Novelle geht es nicht um die Darstellung der äußeren Wirklichkeit, wie die konkrete politische und historische Situation, in der sich der Protagonist befindet, sondern um die Darstellung des inneren Konfliktes des vom Tode gezeichneten Helden Pescara. In der Novelle werden reale und fingierte Kunstwerke der Renaissance beschrieben, um die innere Wirklichkeit des Protagonisten Pescara in Szene zu setzen. Hinter der Fassade der Geschichte verbirgt Meyer sein eigentliches Interesse, nämlich das rätselhafte innere Dasein des Menschen. Wie ein Netzwerk überzieht den Text die Ekphrasis von Kunstwerken wie die Fresken der Schnitterbande, das Schachspiel von Pescara und Victoria, Rapfaels Fresken in Stanza della Segnatura in Rom, da Vincis Schlangenbild, Michelangelos Deckenfresko in der Capela Sixtina, das Altarbild des verwundeten Christus im Kloster Heiligenwunden. Der in der Schlacht von Pavia an der Seite verwundete Held Pescara wird einerseits immer wieder als ein zukünftige Retter Italiens mit der Christus-Figur identifiziert, andererseits aber als ein zum Tode verurteilte Mensch, für den jede Versuchung unmöglich ist. In dieser Situation fungieren die Kunstwerke wie Masken, die das Rätsel des Pescara verbergen. Mit der eigentümlichen Ekphrasis, welche die herkömmliche kulturelle Deutung destruiert, verbildlicht Meyer die nicht mehr objektiv darzustellende Wirklichkeit, eine Wirklichkeit, die an ihre psychologischen und phantastischen Grenzen gerät. C. F. Meyer kann damit als ein Autor gelten, der am Ende des Realismus steht und die zeitliche Stimmung der Fin de siècle vorausgreift.