Die Geschichte des Homunculus geht zwar auf die Antike zuruck, aber in der Literatur tritt der Homunculus erst im 19. Jahrhundert bei Goethe und Hamerling als bedeutende Figur auf. In der vorliegenden Arbeit geht es zum einen darum aufzuzeigen, welche Aspekte des 19. Jahrhunderts das Interesse an der Figur beeinflussen. Zum anderen soll dargelegt werden, worauf die beiden Autoren mit dem Motiv jeweils abzielen. Fur Goethes Handhabung des Motivs spielt die Entwicklung der organischen Chemie eine entscheidende Rolle. In der Figur des Wagner im Laboratorium spiegelt sich nicht nur Paracelsus sondern auch Friedrich Wohler, dem die erste Synthese eines organischen Stoffes aus anorganischen Stoffen gelingt, und wohl auch der Philosoph Johan Jakob Wagner, der behauptete, dass es der Chemie noch gelingen werde, organische Korper herzustellen und Menschen durch Kristallisation zu bilden. Was Goethe mit dem Homunculus-Motiv darstellt, ist die Entstehung des Menschen als Gattung. Goethe teilt diese Frage in zwei Aspekte, namlich in eine chemisch-kunstliche Ebene im Laboratorium und eine biologisch- naturliche Ebene in der Klassischen Walpurgisnacht auf. Hamerlings Interesse fur das Homunculus-Motiv scheint durch Goethes Faust geweckt worden zu sein. Die Struktur seines Werkes ahnelt der des Faust. Es gibt aber mehrere Unterschiede zwischen den beiden Texten in Bezug auf die Rolle des kunstlichen Menschen. Hamering geht es in dem Motiv um das 19. Jahrhundert per se. Die Kunstlichkeit der Titelfigur entspricht dem unmenschlichen Charakter dieses Jahrhunderts. Das Werk endet mit einer dunklen Vorahnung bezuglich der Zukunft der Menschheit. Trotz dieses Unterschiedes liegt den beiden Werken eine gemeinsame Frage zugrunde: Was ist der jetzige Mensch eigentlich?