Im 1964 erschienenen Buch Understanding Media postulierte der Medientheoretiker Marshall McLuhan, das Medium sei die Botschaft. Die zentrale These seines Buches ist, dass neue Technologien unabhangig von ihren Inhalten eine Veranderung der menschlichen Wahrnehmung und des Denkens bewirken, weil die Medien nicht nur bloß abbildend und reproduzierend sind, sondern selbst ihre eigenen Wirklichkeiten herstellen. Die Schrift ist zweifelsohne geeignet, zwischenmenschliche Kommunikation uber die zeitlich-raumliche Begrenztheit hinweg zu ermoglichen. So kann ein Bewusstsein im Schriftmedium entstehen, in dem Teile der (im kollektiven Gedachtnis eingravierten) Vergangenheit bewahrt oder spezifisch vergegenwartigt werden konnen. Weitestgehend ubertrifft die Schriftkultur in ihrem Vermogen, bestimmte mundliche Außerungen oder uberhaupt einen uberlieferten Zeichenvorrat durch die Geschichte . qualitativ wie quantitativ . zu bewahren oder gar zu vergroßern, die orale Kultur. Aber die Schrift hat gleichzeitig kommunikationsstorende Effekte. Das Schriftmedium ermoglicht zwar die von Zeit und Raum unabhangige Kommunikation, aber macht auch die Begegnung zwischen Menschen immer seltener. So gesehen ware das Schriftmedium gerade das, was die zwischenmenschliche Kommunikation weder verbindet noch vermittelt, sondern nachhaltig stort. In diesem Zusammenhang geht die vorliegende Arbeit davon aus, dass die Medien auch zwischenmenschliche Beziehungen beeinflussen. Dabei geht sie vor allem der Frage nach, inwieweit das Schriftmedium auf die Beziehung zwischen Hanna und Michael, die Hauptfiguren des Romans der Vorleser, einwirkt.