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Diese Studie macht es sich zur Aufgabe, zu untersuchen, welche literarischen Figurationen aus den Europa-Visionen reprasentativer deutschsprachiger Autoren wie Thomas und Heinrich Mann herauszukristallisieren sind, wobei sich beide nach dem Ersten Weltkrieg unter dem Eindruck radikal veranderter politischer und gesellschaftlicher Bedingungen fur die Erneuerung des zerstorten Europa einsetzten. Gemeinsam ist ihnen, dass ihre auf die Projektionsflache Europa ubertragenen Visionen grundsatzlich auf das kulturelle Erbe Europas zuruckzufuhren sind. Im Zentrum des so genannten ‘geistigen Corpus’ Europas steht neben den moralischen Werten des Christentums der Humanismus, der von der Renaissance bis zur Aufklarung den großten Stellenwert in der europaischen ‘Gelehrtenrepublik’ eingenommen hat. Trotz solcher Gemeinsamkeiten werden auch Unterschiede zwischen Thomas und Heinrich Mann deutlich: Bei Thomas Mann grenzt Europa zwar an Asien, aber das Europaische und das Asiatische stehen innerhalb der geistigen und kulturellen Grenzen Deutschlands im Widerstreit miteinander. Daraus folgt, dass laut Thomas Mann, der Deutschland als geistiges ‘Schlachtfeld Europas’ betrachtet, Europa als ein ‘deutsches Europa’ bezeichnet werden kann. Demgegenuber kann Heinrich Manns Europa als ein festes, ja ‘heiliges’ Schloss einer ‘Intellektuellen-Sekte’ angesehen werden, insbesondere weil sein Europa, von seinem eurozentrischen Gedankensystem ausgehend, alles Nicht-Europaische ausschließt. Sein politisches Ideal, das auf den Ideen der franzosischen Revolution von 1789 basiert, konnte in die Praxis der damaligen politischen Realitat nicht integriert werden, so dass seine von Anfang an auf die republikanischen Ideen zuruckgefuhrten Europa-Visionen die notwendige Realitatsbasis verloren haben. Bei Heinrich Mann scheinen sogar die Ebenen von Politik und Religion verwischt zu sein. Aus diesem Grund ist seine scheinbar offene und idealisierte Grenze Europas, deren entscheidender Maßstab in politischer Hinsicht der Republikanismus sein soll, ins Uferlose ausgedehnt. Dennoch kann man heutzutage diesem abstrakten Europa-Projekt große Bedeutung beimessen: Obwohl die ‘geistigen’ Europa-Visionen von Thomas und Heinrich Mann wegen ihrer realitatsfernen Idealisierung Europas, insbesondere wegen ihrer eurozentrischen Konstruktion Europas, von der jungeren Generation stark kritisiert wurden, hat dieses ‘moderne’ Europa-Projekt bis heute zur Reflexion der geistigen und kulturellen Werte Europas beigetragen, die sowohl der kommerziellen Wirtschaftsplanung als auch der politischen Zusammenarbeit der europaischen Lander zugrunde liegen. Auf jeden Fall waren aber Thomas und Heinrich Mann, die sich zwar den ‘Kindern Nietzsches’ zuordnen lassen, damals nicht in der Lage, das Ideal ihres Lehrers, ein ‘ubernationales, nomadisches Europa’ zu verwirklichen, so dass ein solches Projekt fur die Zukunft bleiben musste.